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Hadzabe: Die letzten Bushmen von Tansania

Hadza People Buschmänner in Tansania Stefan Schüler

Willkommen bei den Lake Eyasi Bushmen! Als hätte jemand eine tausende Jahre alte Zeitkapsel geöffnet: Im Baum hängen fünf Meter lange Riesenpython-Häute, Pavianschädel sowie die Hörner von getöteten Büffeln und Antilopen. An diesem Samstagmorgen tänzeln deren gegerbte Felle spielerisch in einer leichten Briese. Holzspeere, Bögen und Pfeile mit Giftspitzen lehnen friedlich an dornigen Büschen, die den Platz um den Baum wie einen Festungszaun umschließen. In einer windgeschützten Nische sitzen vier Männer. Pavianfelle (Baboon) bedecken ihre Oberkörper und als Kopfschmuck aus einem dünnen Streifen deren Stirn. Einer von ihnen schnitzt mit einem übergroßen Messer an einem Speer und kaut immer wieder auf diesen herumkaut, um ihn in Form zu bringen. Währenddessen unterhalten sich die anderen Bushmen angeregt in einer mir unbekannten, auf unserem Planeten einzigartigen Klick-Sprache.

Überall tote Tiere und tödliche Waffen, wo bin ich hier gelandet? Die Antwort lautet: Im Wohn- und Schlafzimmer der Hadzabe (Hadza People), einem der letzten Stämme weltweit, die noch gänzlich als Jäger und Sammler leben. 350 Hadzabe gibt es derzeit noch in Nordzentral Tansania, genauer im Gebiet um den Lake Eyasi und dem angrenzenden Serengeti-Plateau. 350, die fast genauso leben, wie ihre Vorfahren zehntausende Jahre zuvor. Feuer wird mit den Händen gemacht, keine Elektrizität und wie selbstverständlich werden alle Krankheiten mit Hilfe der Götter und Medizin aus der Natur geheilt. Purismus pur. Jegliche Versuche der Regierung sie Umzusiedeln und zu Viehzüchtern zu machen, Versuche der Christianisierung während der Kolonialzeit oder Versuche der umliegenden Farmer sie gewaltsam zu vertreiben, sind bisher epochal gescheitert. Unser Glück. Meines, weil ich sonst niemals das kulturelles Highlight auf meinen Reisen rund um den Globus erlebt hätte und dein Glück, weil ich dir so davon berichten kann.

Hadzabe: Was der Buschmann schon wusste

Als Meister mit Pfeil und Bogen, steht alles auf ihrer Speisekarte, was einen Puls hat, ausgenommen Hyänen. Nicht das du jetzt denkst, die Hadzabe wären Hyänenfreunde oder hätten die Hose voll. Nein, das hat rein religiöse Gründe. Stirbt ein Mitglied der Sippe, wird es nicht verbrannt oder beerdigt, sondern im Busch „deponiert“ und mit Zweigen bedeckt. So ein Leckerbissen bleibt im afrikanischen Busch nicht lange unentdeckt und Hyänen machen sich über die sterblichen Überreste her. Ein Kreislauf von Fressen und gefressen werden, den die Hadza People ausnahmsweise für die Hyäne unterbrechen, da sie glauben ihre Verstorbenen leben in diesen Tieren weiter, sind somit Teil von diesen. Hört sich doch plausibel an, oder?

Zurück ins Wohnzimmer der Hadza People. Männer und Frauen hausen getrennt voneinander, erklärt mir mein Übersetzter vom Nachbarstamm der Black Smith (Datoga). Die Männer haben ein relaxtes Leben: gehen in Gruppen Jagen, rauchen permanent Cannabis und stellen Waffen her. Sie müssen also nur einen Pavian im angrenzenden Gebirge mit einem Pfeil durchbohren und ins Lager schleppen, während die Frauen sich um die Kinder kümmern, Wurzeln und Früchte sammeln, Essen zubereiten und ihrer naturgegebenen „Pflicht“ als Frau nachkommen. Für letzteres haben die Hadzabe Männer übrigens eine spezielle Wurzel. Das Viagra der Buschmänner, wie sie mir stolz mit geballter Faust und angehobenen Unterarm signalisieren.

Ehrlich, meine drei Freunde vom Stamm der Chagga sehen neben ihnen aus wie Großstädter und ich mit meiner westlichen Kleidung und der bleichen Haut, wie ein Alien aus einem anderen Universum. Ich fühle mich deplatziert. Mit verbalem Klicken, Klacken und Handzeichen laden die vier Männer mich ein, bei ihnen Platz zu nehmen.

Als Zeichen der Gastfreundschaft stülpt man mir sofort ein Stirnband aus Baboon-Fell über den Kopf und plaudert angeregt darauf los. Ich versteh nur Bahnhof, fühle wie etwas aus dem Stirnband durch meine Haare krabbelt und schaue begeistert zu, wie einer der Männer zwei Stücken Holz aneinander reibt, um damit in weniger als einer Minute Feuer zu machen. Feuerbohren, dass kann ich auch, denke ich mir und lass mir die Hölzer reichen, bohre darauf los und fördere mit etwas Unterstützung tatsächlich Glut zum Vorschein. Die Bushmen sind beeindruckt vom Weißbrot und schütteln mir anerkennungsvoll die Hand.

Hadza Buschmann Tansania

Hadzabe: Jagen mit den Bushmen

Es ist Zeit zum Jagen. Mit drei Hadzabe-Jungen und einer Horde Hunde gehen wir zusammen auf Jagd nach Wildtieren. Mit Bogen und Pfeil im Anschlag, laufen wir schnellen Schrittes durch das dornige und mit riesigen Baobab-Bäumen gespickte Buschland. Es wird auf alles geschossen was sich bewegt. Als kleinen Snack und Energiequelle zwischendurch, kauen und lutschen wir die oberste, bittere Schicht der Baobab-Samen ab. Keine kulinarische Geschmacksexplosion für meinen westlich geprägten Gaumen.

Hadza Bushmen Tanzania Hunting Lake Eyasi Bushmen

Einer der Holzpfeile durchbohrt einen handballgroßen Vogel. Kurzerhand wird eine Pause von der Jagd eingelegt, ein schattiges Plätzchen unter einem Affenbrotbaum gesucht, dort ein Feuer entfacht und der erlegte Beute darauf geschmissen. Einige der Federn stecken sich die Jäger als Trophäe in die Haare. Nichts vom Vogel wird verschwendet. Organe, ein Ei, das der Vogel in sich trug, selbst der Kopf des Vogels wird abgenagt. Freudig kauen sie das halbrohe Fleisch des Vogels und bieten uns etwas von ihrer „Delikatesse“ an. Zu viel Purismus selbst für meine Freunde vom Volk der Chagga und sie lehnen höflich ab. Meine Begeisterung für fremde Kulturen kennt weniger Grenzen: Ich greife zu, koste das blutige Fleisch des Vogels und hoffe davon nicht krank zu werden. Die Hadzabe freuen sich darüber, spießen die Überreste transportsicher auf Holzstäbe und wir setzen die Jagd fort. 3 Stunden pirschen wir erfolglos durchs Hadzabeland, bevor wir zurück zum Lager kehren.

Bogenschießen mit Bushmen in Tansania

Dort freut man sich über den Snack, raucht noch etwas Cannabis, bevor es heißt: Bogenschießen. Bekifft oder nicht, die Hadzabe treffen jedes Mal mit einer erschreckenden Präzision. Entkommen zwecklos. Diese Pfeile gehen wie Butter durch einen Menschen und mit Gift versehen, töten die Hadzabe damit sogar Elefanten und Nasshörner. Würde man diese Jäger in einem der Nationalparks wie der Serengeti oder dem Ngorongoro Crater aussetzen, sie würden alle Wildtiere in kurzer Zeit zu Mahlzeiten verarbeiten.

Der letzte Cannabis-Joint war anscheinend einer zu viel. Im Übermut schießen die Hadza People Pfeile hunderte Meter senkrecht in den blauen Himmel über dem Lake Eyasi Nationalpark. Unberechenbar rasen sie Richtung Erde. Richtung uns. Erschrocken von ihrer eigenen Blödheit, warnen sie den Rest der Sippe. Einer der Pfeile schlägt 50 Zentimeter vor uns im Boden ein. Ein anderer landet im Lager der Frauen und Kinder, ein weiterer wenige Meter entfernt vom Lagerfeuer, wo der Rest der Jäger Pfeile schnitzt. Ein Adrenalin-Kick auf den ich getrost verzichtet hätte können. Wie durch Glück wird niemand verletzt oder gar getötet.

Besuch bei den Hadzabe Bushmen: Ein Fazit

Es wird Zeit den Hadzabe auf Wiedersehen zu sagen. Die ganze Sippe versammelt sich unter den Schlangenhäuten und Affenschädeln, tanzt im Kreis und singt ihr „Danke für deinen Besuch“-Lied. Zusammen mit ihnen stampfen wir rhythmisch mit den Füßen auf den staubigen Boden und tanzen Hand in Hand. Selten war ich so glücklich. Es fällt mir schwer diese einzigartigen Menschen zu verlassen. Fünf Stunden bei den Hadzabe haben tiefe Spuren hinterlassen. Diese Menschen, die von außen betrachtet so primitiv und isoliert leben, sprudeln über vor Lebensfreude. Gerade diese Einfachheit und die bedingungslose Abkehr von allen äußeren, modernen Einflüssen, scheint der Schlüssel zum Glück zu sein. Nicht zu wissen welcher Tag ist oder wie alt man ist; Mit der Sonne aufzustehen, Jagen gehen, abends am Lagerfeuer sitzen und an Ort on Stelle einzuschlafen: Wo findet man so etwas noch?

Hadzabe Jungen bei der Jagd Lake Eyasi Tansania

Ein aussterbendes Volk. Ich hoffe die letzten Jäger und Sammler auf unseren Planeten bleiben noch lange standhaft, lassen sich nicht vom Rest der Welt kultivieren und tanzen noch in weiteren zehntausenden Jahren im Affenfell ums Lagerfeuer.

Die Besteigung des Mount Kilimanjaro und Safaris in der Serengeti, das sind einzigartige Erlebnisse. Auch ein Besuch bei den Massai ist definitiv eine kulturell-einschneidende Erfahrung. Aber das alles verblasst neben einem Treffen mit den Hadzabe. Vielleicht möchtest auch du die Hadzabe – die wahren Buschmänner – einmal bestaunen und deinen Aufenthalt in Afrika noch unvergesslicher machen, als er eh schon ist. Dann kannst du mich gern persönlich anschreiben unter stefan@burning-feet.com. Ich werde versuchen für dich einen Besuch bei den Hadzabe zu organisieren oder du meldest die direkt bei Dismas von African Ambition Tours (info@african-ambition-tours.com).

Das war es soweit mit meinem Post zu „Hadzabe: die letzten Bushmen in Tansania“. Ich denke, ich konnte dir kurzweilig die wunderbare Kultur dieses Lake Eyasi Bushmen näher bringen. Neben den Hadza People habe ich auch noch andere Ureinwohner in Tansania besucht. Einen ausführlicheren Bericht kannst du sicherlich wieder in meinem nächsten Buch über das wilde Afrika nachlesen.

Wie sind deine Erfahrungen in Tansania? Wie und Wo kommt man am Besten mit der Kultur in Kontakt?

Meine Bücher über Afrika

Kilimandscharo für Lebensmüde: Wie es dir geht, wenn nichts mehr geht. Stefan Schüler Autor

tansania hauthah das etwas andere länderporträt stefan schüler autor reisebericht tanzania

Kishuali Swahili für die Hosentasche Reisewortschatz Tansania Kenia Kongo Uganda Stefan Schüler burning feet

2 Kommentare
  1. Reini Rossmann
    Reini Rossmann sagte:

    Lieber Stefan! Danke für den ausführlichen und tollen Artikel.
    Auch ich bin überrascht, dass das Feuerbohren per Hand (im Fachjagron Hand Drill genannt) so rasch funktioniert hat. Haben Dir danach Deine Hände – also gar nicht weh getan? Also Burning-Hands sozusagen 🙂

    Weiterhin viel Spaß mit Deinem Blog und Deinen Reisen,
    Reini

    Antworten
    • Stefan Schüler
      Stefan Schüler sagte:

      Hey Reini, wer behauptet ihm würden danach nicht die Hände qualmen, der lügt 😉 Mit einem Bogen und Stein geht es definitiv noch einfacher und vorallem schmerzfrei. Glücklicherweise war das Holz dort im Busch perfekt zum Feuerbohren (schönes Hart- und Weichholz, trocken). Bei schlechtem Material kann der Spaß durchaus auch mal einige Stunden dauern. Zum Thema Feuer machen im Survival habe ich auch einen extra Beitrag verfasst.
      Beste Grüße aus Tansania…

      Antworten

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