Great Glen Way: Wandern in Schottland
Der Great Glen Way ist einer der vier längsten Fernwanderwege in Schottland. Er läuft von Fort William, am nördlichen Ende des West Highland Way, bis zur Stadt Inverness, der Hauptstadt der schottischen Highlands. Mit einer Länge von 79 Meilen (127 km) windet er sich durch die Great Glen Verwerfung und folgt der Linie des Caledonian Canal.
So viel an Informationen hatte ich mir gegönnt, bevor ich meinen Rucksack in Fort William schulterte und die Wander-Sneakers festzurrte. Blieb nur noch die Frage: Wer ist dieser Great Glen? Was Weltbewegendes hat er gemacht und warum wurde ein Wanderweg nach ihm benannt?
Hier also mein persönlicher Licht- und Schattenbericht über den Great Glen und seinen Way:
Tag 1: Start in Fort William
Der erste Tag auf dem Great Glen Way war an Eintönigkeit und Stupidität kaum zu übertreffen. Das alles überschattende Thema war der Caledonian Canal. Auf einer befestigten Schotterstraße lief ich für mehr als 20 Kilometer immer brav am Kanal entlang, während mich Jogger und Fahrradfahrer auf meiner „Wanderung“ begleiteten. Es war grausam und die einzige Abwechselung boten mir Hobbykapitäne, die mir aus ihren Jachten zuwanken.
Irgendwann erreichte ich das Gairlochy Locks (Schleuse), überquerte es und trabte nach einem kurzen Stück im Wald wieder über asphaltierte Landstraßen, bis mich die Kräfte verließen. Ein Muskelfaserriss im Unterschenkel, den ich mir Tage zuvor zugezogen hatte, machte mir stark zu schaffen. Das Bein war um 1/3 angeschwollen. Es hatte etwas von Gelee und wenn ich es mit dem Finger eindrückte, dann blieb ein 2 cm tiefes Loch zurück.
Doch statt ein schönes Plätzchen zum Campen zu finden, hingen alle 15 Meter „No Camping“-Schilder an den Bäumen. Humpelnd schleppte ich mich bis zu einer kleinen Halbinsel wenige Kilometer vor Clunes. Hier war der Zaum eines Privatgrundstückes eingetreten und ich fand den perfekten Campspot zum Wildcampen mit Feuerstelle, direkt am Loch Lochy (Koordinaten: 56.948007,-4.965139). Solltest du die Ausdauer haben, dann versuche bis hier zu laufen, es lohnt sich.
Tag 2: Ein Wandertag unter Wasser
Ich gönnte mir noch bei strahlendem Sonnenschein einen Kaffee und zwei Pakete Instantnudeln zum Frühstück, die ich mir über dem Lagerfeuer kredenzt, danach brach die Welt über mir zusammen. Es regnete wie aus Eimern. Ein Schotte hat einmal zu mir gesagt: „Wenn dir das schottische Wetter nicht gefällt, dann warte einfach 5 Minuten.“ Aus diesen 5 Minuten wurden 24 Stunden Dauerregen und kräftige Windböen. Lange 5 Minuten, die böse auf die Stimmung drückten und selbst meine Regenbekleidung zum Kapitulieren brachten. Bis zu diesem Tag hatte ich immer alle belächelt, die sich über das schottische Wetter beschwerten. Kein Wunder, war ich doch fast zwei Wochen im Land und schlenderte braun gebrannt und mit leichtem Sonnenbrand durch die Wildnis. Von wechselhaft und regnerisch keine Spur.
Von Clunes führte der Great Glen Way durch den Wald über breite Forststraßen. Einziger Lichtblick dabei waren die kleinen Infotafeln, die über die Militärgeschichte am Loch Lochy informierten. Hier trainierten von 1941 bis 1945 die Alliierten Truppen die Landung in Boten an der französischen Küste.
Der Weg dagegen war plan und wenig unterhaltsam. Ich hatte den Kanal vom Kanal gestrichen voll und entschloss mich den Invergarry Link zu nehmen. Eine Enttäuschung mehr, hatte ich mir doch einige Höhenmeter und tolle Aussichtspunkte über das Loch versprochen.
Im Dauerregen erreichte ich Kytra Lock, 3,5 km vor Fort Augustus. Dort befindet sich ein „Informal Campsite“, auf dessen gegenüberliegender Kanalseite ein kleiner Wald zum Campen einlädt. Dort traf ich einen Waliser, einen Schotten, einen Engländer und zwei Kanus. Eigentlich fangen so Witze an aber hier wurde ich von drei waschechten Outdoor-Freaks herzlich aufgenommen. Hier konnte ich mich unter deren Zeltplane aufwärmen und wurde zudem mit reichlich marokkanischen Eintopf abgefüllt. Ein kompletter Wandertag unter Wasser nahm ein erfreuliches Ende.
Tag 3: Endlich geht es in die „Berge“
Mein Walliser Kanufahrer Mark schwärmte vom Haggis in Fort Augustus. So nahm ich allen Mut zusammen und kaufte mir eine Haggis Roll bei MacDougall, dem traditionellen Fleischer im Ort.
Falls ihr nicht wisst was Haggis ist: „Haggis ist eine Spezialität aus der schottischen Küche und besteht aus dem Magen eines Schafes, paunch genannt, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt wird. Haggis ist mit Pfeffer scharf gewürzt, und das Hafermehl verleiht ihm eine etwas schwerere Konsistenz als Wurst.“ (Quelle: Wikipedia).
Hört sich ziemlich ekelig an, aber schmeckt gar nicht so schlecht. Nur den Gedanken an die Zutaten versaut einem das Geschmackserlebnis und entscheidet darüber, ob der Bissen Haggis jetzt die Speiseröhre runter oder wieder hoch rutscht.
Fort Augustus ist das Tor zum bekannten Loch Ness und die internationalen Touristen wurden dort massenhaft in Busen angekarrt. Nichts für mich. Ich entschied mich hinter Fort Augustus auf die erste High Route (alternative Höhenroute) abzubiegen. Zwei dieser Ausweichrouten gibt es. Anscheinend war ich nicht der Einzige, der sich über das Kanalgelatsche aufgeregt hat. Endlich wurde es steil, der Schweiß lief und für 11 Kilometer schlängelte sich die Route über vernebelte Berge bis nach Invermoriston.
Mein Matschbein zwang mich 5 Kilometer hinter Invermoriston – mitten im Wald – mein Zelt aufzuschlagen. Es nieselte nur leicht und über einem wärmenden Feuer trocknete ich meine durchnässten Wanderklamotten.
Tag 4: Loch Ness ohne Nessie
Der Great Glen Way verlief immer auf Forstwegen am Westufer des Loch Ness entlang. Teilweise sogar für Kilometer über Asphalt und direkt auf der Landstraßen bis Drumnadrochit. Meine Meinung zu diesem Fernwanderweg tat das jedenfalls nicht sonderlich gut.
In Drumnadrochit führt die Strecke durch das Herz des pulsierenden Dorfes und dem Zentrum der Nessie-Industrie. Kuscheltiere und Plakate vom Loch Ness Monster wohin man auch guckte. Hier konnte ich es mir nicht nehmen lassen in die offizielle Nessie-Ausstellung zu gehen (The Loch Ness Centre & Exhibition; 7.95 Pound Eintritt). Geld, das nicht verschenkt war und kurzzeitig Unterschlupf vor dem Regen bot.
Nach Drumnadrochit steigt es dann stetig an und verschiedene Aussichtspunkte bieten dir einen schönen Ausblick über Loch Ness und Urquhart Castle. Weiter ging es durch den Wald und einem kurzen Abschnitt über das robuste Heideland, wo ich mein Zelt für die Nacht aufschlug.
Tag 5: Ankunft in Inverness
Ich war am Vortag bis auf 17 Kilometer vor Inverness gelaufen. Über größere und kleiner Waldwege schlenderte ich leichten Schrittes durch den Craig Leach forest, bis zum Inverness Castle in Inverness. Ich hatte mein Ziel erreicht. Und ich muss sagen nach 330 Kilometern in nur 2 Wochen in den Beinen, war ich sogar froh darüber. Mein Matschbein schmerzte höllisch und freute sich darauf, endlich hoch gelegt zu werden.
Mein Fazit Great Glen Way
Ich war und bin immer noch völlig enttäuscht vom Great Glen Way. Nicht nur das Glen übersetzt lediglich Bergschlucht bedeutet und nichts mit einem heroischen Entdecker zu tun hatte, sondern weil ich mir unter diesem Fernwanderweg deutlich mehr versprochen hatte. Verglichen mit dem West Highland Way ist dieser Fernwanderweg unspektakulär und langweilig. Nichts Abenteuerliches, nichts körperlich herausforderndes, nichts für Naturenthusiasten. Es geht zu oft am Kanal entlang, über zu viele befestigte Schotterstraßen und die Infrastruktur für Wildcamper ist auch deutlich ausbaufähig. Selbst Nessie habe ich nicht gesehen 🙂
Ich sehe diesen Fernwanderweg als Einstieg für komplette Wanderanfänger oder ältere Menschen, die von einem Bed & Breakfast zum anderen wandern wollen. Auch als leichter Radwanderweg ist er geeignet (Ausnahme beide High Routes). Aus diesen Gründen würde ich ihn nicht erneut laufen und empfehle jedem, der diesen Wanderweg trotzdem machen möchte, alle Höhenrouten und Ausweichrouten mitzunehmen. Leider fällt meine subjektive Bewertung nicht positiver aus, dafür aber ehrlich.
Bewertung Great Glen Way
- Abenteuerfaktor: 1 von 5 Sternen
- Infrastruktur: 3 von 5 Sternen
- Schwierigkeitsgrad: 1 von 5 Sternen
- Individualfaktor: 1 von 5 Sternen
- Natur/Landschaft: 3 von 5 Sternen
Tipps Great Glen Way Schottland
- Packe für jedes Wetter (Regensachen sind Pflicht)!
- Sonnencreme mitbringen!
- Nicht viel Essen im Rucksack mitschleppen! Hotels, Restaurants, Imbisse liegen meist auf der Strecke.
- Achte auf Zecken. Ich hatte mehrere am Körper.
- Nutze Wasserreinigungstabletten oder transportiere massig Wasser (3l+)!
- B&B`s, Hostels, Hotels im Voraus reservieren. Auf einem der wenigen Campingplätzen bekommst du dagegen in der Regel spontan ein Plätzchen (sonst Wildcampen).
- Gehe beide High Routs hinter/vor Invermoriston.
Literatur Great Glen Way
Great Glen Way Ausrüstung (Beispiele!)
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